Anregungen für ein Positionspapier des DRV zum Konflikt Artenschutz – Windkraft Dr. Matthias Schreiber

 

1 Vorbemerkung Im Vorfeld der Diskussion um eine Positionierung des DRV zum Konflikt Windkraft – Artenschutz und der bisher im Raum stehenden Lösungsideen möchte ich ein paar grundsätzliche Überlegungen beitragen, weil ich den Eindruck habe, dass die Vorstellungen im Moment konsequent in eine falsche Richtung laufen.

 

Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund der neuen EuGH-Entscheidung vom 4. März 2021 (C-473/19). Hierzu wird übrigens bereits im Märzheft von Natur und Recht eine ausführliche Würdigung erscheinen.

 

Zuerst noch einmal zum EuGH-Urteil: Das Gericht hat nicht nur den Individuenbezug bei den artenschutzrechtlichen Verboten für europäische Vogelarten betont. Das ist nichts Neues, sondern steht auch im Bundesnaturschutzgesetz, wird grundsätzlich von allen Gerichten anerkannt und nicht zuletzt auch im UMK-Papier vom Dezember des letzten Jahres.

Neu ist hingegen (nach der Vogelschutzrichtlinie aber eigentlich völlig klar!), dass die Geltung dieses Individuenbezuges für alle europäischen Vogelarten unterstrichen wurde. Der in Deutschland in der Praxis eingeführte Populationsbezug (häufige Arten müssen nicht beachtet werden, weil sich der Erhaltungszustand nicht ändert usw.; unsäglich in dieser Hinsicht das BfNPapier von Bernotat und Dierschke 2016 mit dem MGI-Ansatz, welcher wie Gift in die gesamte artenschutzrechtliche Planungspraxis einsickert ist) ist damit obsolet. Diese (eigentlich nicht neue Erkenntnis) muss Konsequenzen haben, wenn dem Vogelschutz verpflichtete Organisationen Lösungsvorschläge für die Bewältigung des Konfliktes Artenschutz – Windkraft machen wollen:

• Der Konflikt muss in jedem Einzelfall für die betroffenen Individuen gelöst werden.

• Lösungen müssen alle kollisionsgefährdeten Arten umfassen, also nicht nur das Dutzend aus dem UMK-Papier oder die Liste der Arten aus dem Helgoländer Papier.

 

2 Lösung über Raumordnung und Ausschluss von Dichtezentren?

Vom Nabu wird an verschiedenen Stellen eine Lösung des Konflikts durch die Festlegung von Dichtezentren und deren Ausschluss für die Errichtung von WKA favorisiert.

Ich möchte nachfolgend kurz skizzieren, dass dieser Ansatz fachlich, praktisch und rechtlich zum Scheitern verurteilt ist, will man nicht die Klarstellungen des EuGH unterlaufen. Das würde nämlich gleichzeitig die Tür öffnen für die Preisgabe des Artenschutzes bei anderen Eingriffsvorhaben, in denen es um die Betroffenheit von europäischen Vogelarten geht.

Man legt damit die Axt an den europäischen Artenschutz an, was konsequenterweise in eine Änderung der europäischen Naturschutzrichtlinien münden muss. In welch illustre Gesellschaft man sich damit u.U. begeben würde, zeigt die aktuelle Diskussion (siehe dazu unter 5).

 

2 2.1 Zur Untauglichkeit des Dichtezentrenansatzes

Bisher wurde nicht dargelegt, für welche Arten der Ansatz überhaupt umgesetzt werden soll. Nach derzeitiger Rechtslage wäre er für alle kollisionsgefährdeten Vogelarten – ob selten oder häufig – anzuwenden. Insgesamt ergeben sich jedenfalls vielfältige fachliche, praktischorganisatorische und rechtliche Hindernisse, die mindestens einer kurzfristigen Lösung im Wege stehen.

 

2.1.1 Fachliche Hindernisse Es mag noch möglich sein, mit den Erkenntnissen über die Siedlungsdichte und Verbreitung der zu berücksichtigenden Arten Anforderungen an Dichtezentren zu formulieren. Es stellen sich jedoch vielfältige methodische und fachliche Fragen:

1. Sollen Dichtezentren für alle kollisions- und störungsgefährdeten Vogelarten festgelegt werden oder nur für eine Auswahl? Wenn letzteres der Fall ist: Welche Arten sollen das sein? Wie will man mit den übrigen umgehen und was ist mit den Fragen 2 – 5 für die Arten mit Dichtezentren?

 

2. Gelten bei allen Arten bundesweit dieselben Grenzwerte für Dichtezentren? Für welche Räume wird ggf. differenziert mit der Folge, dass in einzelnen Bundesländern, womöglich sogar in einzelnen Planungsräumen unterschiedliche Werte zu beachten sind?

 

3. Wie sollen Dichtezentren im Detail praktisch abgegrenzt werden, anhand von Messtischblättern, Messtischblattvierteln, anhand von abstrakt festgelegten Geländebedingungen? Sind womöglich Raumnutzungsanalysen erforderlich oder reichen Habitatpotenzialanalysen?

 

4. Wie soll mit der Dynamik in der Besiedlung von Flächen umgegangen werden, die dazu führt, dass in einem Jahr eine Fläche die Merkmale eines Dichtezentrums erfüllt, im nächsten jedoch nicht mehr, dafür aber die Nachbarfläche? Über wie viele Jahre müsste ein Bestand bestätigt sein, damit er auch rechtlich belastbar als Dichtezentrum definiert werden kann?

 

5. Was bleibt eigentlich übrig, wenn für alle Arten Dichtezentren abgegrenzt wurden, die dann gleichzeitig auch Ausschlussbereiche für die Windkraft werden?

 

3 2.1.2 Methodisch-praktische Probleme

Mit der Festlegung der Kriterien für Dichtezentren ist das Problem jedoch keineswegs gelöst. Denn niemand verfügt über die nötigen Daten, um die auf der Ebene der Raumplanung erforderliche flächenscharfe Abgrenzung von Räumen vorzunehmen. Diese Daten müssten also erst erhoben werden. Es ist jedoch keine Planungsebene erkennbar, die sich dieser Aufgabe annehmen würde. Wollte man eine belastbare Datenbasis für eine flächendeckende Festlegung von Ausschlussgebieten aufbauen, wären mehrjährige, qualitativ hochwertige Untersuchungen (für welches Artenspektrum?) erforderlich.

 

Da dies zeitgleich bundesweit passieren müsste, würde die Umsetzung bereits daran scheitern, dass für die Datenerhebungen die personellen Kapazitäten nicht vorhanden sind. Würde es dennoch zu einer flächendeckenden Aufstellung solcher Pläne kommen, dann wäre damit innerhalb der nächsten Jahre gar nichts gewonnen. Denn die Aufstellung von Regionalplänen (bzw. analogen Planungen) zieht sich über viele Jahre hin und wird damit dem aktuellen Druck, der von Seiten der Windlobby ausgeübt wird, überhaupt nicht gerecht, sondern geht an deren Erwartungen völlig vorbei.

 

2.1.3 Rechtliche Probleme

Die Rechtsprechung hat in den letzten Jahrzehnten hohe Anforderungen an verbindliche Regionalplanungen hinsichtlich der Ausweisung von Ausschluss- und Vorrangflächen für die Windkraftnutzung formuliert. Es ist deshalb absehbar, dass Regionalplanungen auch künftig gerichtlich angegriffen und nach den bisherigen Maßstäben überprüft werden. Die Angriffe werden weiterhin von Betroffenen, die eine Vorrangzone nicht wollen, ebenso ausgehen, wie von Projektierern, die den Ausschluss einer Fläche nicht akzeptieren (nach meiner Wahrnehmung sind es übrigens vornehmlich letztere, die solche Planungen infrage stellen), weil sie gutachterlich nachweisen, dass eine bestimmte Fläche die Kriterien – je nach Interessenlage – erfüllt oder nicht erfüllt.

 

Die Praxis zeigt, dass weitere Angriffspunkte durch sachfremde Einflussnahme von außen (durch Kommunen, Kommunalpolitik, Einzelinteressen) auch bei einer artenschutzrechtlich motivierten Regionalplanung „eingebaut“ werden. Angesichts der zunehmenden Polarisierung der Diskussion wird es daher nicht nur bei Auseinandersetzungen in Einzelfällen bleiben. Dabei werden gerade die Festlegungen von Dichtezentren „dankbare“ rechtliche Angriffsflächen bieten. Denn bei dem Umfang der zu untersuchenden Flächen, aber auch angesichts der Dynamik in der Besiedlung der Flächen, wird man die zugrunde gelegten Kriterien bei der Abgrenzung im Einzelfall leicht infrage stellen können. Das werden all diejenigen bestätigen, die auf der einen oder auf der anderen Seite schon einmal „unterwegs“ waren.

4 Abgesehen von diesen Problemen bleibt damit die Frage unbewältigt, wie mit dem Vorkommen kollisionsgefährdeter Arten in den ausgewiesenen Vorrangflächen umzugehen ist, denn für sie gelten die artenschutzrechtlichen Verbote unverändert. Sie bereiten weiterhin genau die Schwierigkeiten, die Projektierer von Windparks und Naturschützer damit schon jetzt haben. Die Idee, den Konflikt Artenschutz – Windkraft über raumordnerische Lösungen zu bewältigen, geht an der aktuellen Diskussion um den Stau bei der Genehmigung von WKA vorbei, ist hochgradig klageanfällig und praxisfern. Er bietet außerdem keine Lösung für die weiterhin individuenbezogen zu betrachtende Bewältigung des Tötungsverbots innerhalb ausgewiesener Vorranggebiete.

 

3 Lösungsansatz:

Definition der Signifikanzschwelle, Vermeidung und Kompensation Selbst dann, wenn eine raumordnerische Lösung irgendwann gefunden sein sollte, wird ein praxisorientierter, sofort einsetzbarer Weg gefunden werden müssen, um bis dahin und anschließend darüber hinaus auch für all die kollisionsgefährdeten Individuen, die nicht vom Schutz der Ausschlussflächen erfasst sind, den Verbotstatbestand des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG sachgerecht zu bewältigen. Er besteht in der Heranziehung der vom Bundesverwaltungsgericht definierten Signifikanzschwelle, dem Einsatz von Vermeidungsmaßnahmen und ergänzenden Kompensationsmaßnahmen (siehe hierzu Naturschutz und Landschaftsplanung 4/2021, im Druck).

 

3.1 Signifikanzschwelle

Das Bundesverwaltungsgericht hat die im Gesetz vorgesehene Signifikanzschwelle längst in handhabbarer Weise quantifiziert: Solange die projektbedingte Zusatzmortalität eines Vorhabens in dem Rahmen bleibt, dem ein Individuum natürlicherweise ausgesetzt ist, ist es nicht signifikant erhöht. Das Gericht lässt damit also für ein Individuum projektbedingte eine Verdopplung der natürlichen Mortalität zu. Das ist ein konkreter Wert, mit dem weitergearbeitet werden kann (was auch immer man fachlich von einer solchen Grenzziehung halten mag).

 

3.2 Vermeidungsmaßnahmen

Unter Berücksichtigung von Abstand zwischen Nest und Anlage, der Anwesenheitsdauer der kollisionsgefährdeten Vögel im Wirkbereich der Anlagen und ggf. lokaler Besonderheiten lässt sich das Tötungsrisiko abschätzen. Dementsprechend lässt sich auch abschätzen, wie lange und unter welchen Bedingungen Anlagen abzuschalten sind, um die vom Bundesverwaltungsgericht aufgezeigte Signifikanzschwelle zu unterschreiten.

 

5 3.3 Kompensation Wenn man davon ausgeht, dass aus rechtlicher Sicht eine Verdopplung der Mortalität durch einen Windpark (bzw. ein anderes Projekt) in artenschutzrechtlicher Hinsicht keinen Verbotstatbestand mehr darstellen soll, so ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die verbleibende Beeinträchtigung – immerhin eine Verdopplung der natürlichen Mortalität – im Sinne der Eingriffsregelung als erheblich anzusehen ist und– außerhalb des Artenschutzes – artbezogen kompensiert werden muss.

 

Dieser Ansatz wurde 2016 für den Landkreis Osnabrück entwickelt und dort seither für alle kollisionsgefährdeten Vogelarten auch angewandt (das entsprechende Gutachten steht auf meiner Homepage zum Download zur Verfügung). Er wird für einzelne Arten anhand neuerer Daten derzeit weiterentwickelt.

 

4 Vogelschutzorganisationen müssen eine Linie finden! Einen Teil der aktuellen Eskalation haben die Naturschutzorganisationen mitzuverantworten, weil sie im Konflikt Artenschutz – Windkraft immer nur ein „sowohl als auch“ vertreten, aber an keiner Stelle klar aufgezeigt haben, wann für sie der Artenschutz Vorrang hat. Außerdem ist ein Missverständnis nie richtig ausgeräumt worden: Ihm liegt die verbreitete Vorstellung zugrunde, dass bei Feststellung eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos WKA nicht errichtet werden dürfen. Mit dieser Maßgabe sind Naturschutzorganisationen dann oft auch in Klagen für Anwohner gegangen. Solche Verfahren führten zu Verzögerungen und versperrten die Sicht auf Lösungen, wie sie unter 3 beschrieben sind. Wichtig ist jedoch die Erkenntnis, dass sich aus dem Vorliegen eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos rechtlich lediglich der Anspruch ableiten lässt, dieses in geeigneter Weise einzugrenzen.

 

4.1 Klare Linie ziehen!

Die fehlende klare Linie möchte ich schlaglichtartig mit Erfahrungen aus Niedersachsen und den Umgang mit der Rohrweihe skizzieren. Sie ließe sich aber anhand der vielen Verfahren, die ich in den letzten Jahren begleitet habe, bundesweit beliebig mit Beispielen unterfüttern. In einem Fall war es u.a. die Rohrweihe, die in einem gerichtlichen Verfahren durch den Nabu Niedersachsen zum Stopp eines Windparks führte, weil die Art sogar weiter als 1.000 m von den Anlagen entfernt brütete.

 

In einem anderen Fall wurde eine Anlage im Rahmen eines Vergleichs zwischen dem Nabu und den Betreibern wegverhandelt, weil sie in einem Abstand von weniger als 1.000 m zu einem EU-Vogelschutzgebiet errichtet werden sollte und so die Gefahr bestanden hätte, dass es zur Unterschreitung des Mindestabstandes nach dem Helgoländer Papier kommt. In einem weiteren Verfahren hat der Nabu Niedersachsen dagegen einem Vergleich zugestimmt, dass von drei Anlagen, von denen zwei in einem Abstand von 450 – 850 m zu gleich zwei Rohrweihennestern in einem NSG errichtet werden sollten, eine der Anlagen dann in der Zeit vom 16.03. – 21.04 „von 09:00 Uhr bis 19:00 Uhr, bei Niederschlag < 2 und Windgeschwindigkeiten unter 9,5 m/s und Temperaturen über 0°C“ abzuschal- 6 ten ist. Außerdem wurde eine 7 ha große Maßnahme zur Stützung der Rohrweihen vereinbart, die in ca. 8 km Entfernung zu den beiden Nestern liegt und für deren Erreichung ein großer Windpark durchflogen werden muss. In wie vielen Fällen die unzureichende Berücksichtigung der Art überhaupt nicht beanstandet worden ist, ist unbekannt.

 

Es lässt sich jedenfalls zusammenfassen, dass dieses uneinheitliche, maßstablose Agieren weder zum Schutz der Arten noch zur Planungssicherheit für Projektierer beiträgt und deshalb zum Druck auf die rechtlichen Regelungen führt.

4.2 Eine klare Linie lohnt sich Erfahrungen aus dem Landkreis Osnabrück zeigen, dass ein konsequentes Eintreten für den Artenschutz den Ausbau der Windkraftnutzung nicht behindern muss. Durch systematisches Einlegen von Widersprüchen und ggf. der Einreichung von Klagen wurde erreicht, dass mittlerweile bereits Anträge zu Anlagen oder Parks selbst mit weitreichenden Abschaltvorschlägen für alle kollisionsgefährdeten Vogelarten gestellt und zudem umfangreiche artspezifische Maßnahmen vorgesehen werden, was zur Beschleunigung der Verfahren führt, weil Klagen der Umweltorganisationen erst gar nicht nötig werden.

 

4.3 Offensive erforderlich Es ist nicht nur erforderlich, eine klare Linie zu benennen, die man für den Artenschutz berücksichtigt wissen möchte. Sie muss dann auch über ein entsprechendes Auftreten in den einzelnen Verfahren durchgesetzt werden. Darüber hinaus ist eine Offensive nötig, um Fehlentwicklungen der vergangenen Jahrzehnte zu korrigieren. Ansätze dazu gab es im Nabu früher einmal. So hat das Nabu-Institut in Bergenhusen schon einmal eine Karte und Liste mit Parks und Anlagenstandorten begonnen, in der deplatzierte WKA (z.B. in Vogelschutz-, FFH- und IBA-Gebieten) punktgenau verzeichnet waren. Diese sollte aktualisiert und eine Korrektur dieser Standorte vorangetrieben werden, sei es, indem sie wenigstens langfristig aufgegeben werden, sei es, indem durch nachträgliche Anordnungen die aktuellen Beeinträchtigungen wenigstens begrenzt werden. Beispiele hierfür sind die Anlagen im Vogelsbergkreis in Hessen oder im Umfeld der beiden großen Schreiadler-Vogelschutzgebiete in Mecklenburg-Vorpommern (eine Abbildung dazu ebenfalls auf meiner Homepage unter Aktuelles) bzw. in Offshore-Schutzgebieten. Nicht zuletzt wäre eine solche Offensive auch nötig, um all die Menschen in den Genehmigungsbehörden zu unterstützen, die in Genehmigungsverfahren ohne Rückhalt vielfach einer robust auftretenden Phalanx aus Antragstellern, Juristen und Gutachtern gegenüberstehen, um dann auf Basis oft schlecht gemachter Gutachten weitreichende Genehmigungen ohne irgendwelche Auflagen erteilen zu sollen. 7

 

4.4 Offensive zugunsten des Artenschutzes zulässig Es ist zulässig und gut zu rechtfertigen, dem Ausbau der Windkraft zugunsten des Artenschutzes klare Grenzen zu setzen. Wie Steffen et al. (2015: Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet. Science 347, 736-748) aufgezeigt haben, sind es von neun Einflussgrößen die beiden Faktoren Artensterben und Klimawandel, die das globale Gleichgewicht aus den Angeln heben können, wobei die Studie das Risiko beim Verlust der Diversität sogar höher eingestuft hat. Nimmt man hinzu, dass die Windkraftnutzung nicht in der Lage sein wird, den Strombedarf in der erforderlichen Weise zu decken (siehe Sinn 2017: Buffering volatility: A study on the limits of Germany's energy revolution. European Economic Review 99: 130-150), ist es geboten, in den einzelnen Genehmigungsverfahren den Artenschutz angemessen zu berücksichtigen. Wie unter 3) dargelegt und mittlerweile auch praktisch belegt, steht eine umfassende Berücksichtigung des Artenschutzes dem Ausbau der Windkraft nicht entgegen, sondern führt allenfalls zur Schmälerung der Rendite.

 

5 Änderung der FFH- und Vogelschutzrichtlinie?

Nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH kann die individuenbezogene Berücksichtigung aller Arten nicht mehr umgangen werden. Gerade Naturschutzorganisationen können an dieser Stelle nicht „Fünfe gerade sein“ lassen, denn selbst dann, wenn irgendwann in unbestimmter Zukunft raumordnerisch bestimmte Flächen ausgeschlossen sein sollten, bleibt die artenschutzrechtliche Beachtlichkeit der betroffenen kollisionsgefährdeten Individuen außerhalb der Flächen unverändert bestehen. Deshalb ist es m.E. zwingend, dass kurzfristig eine handhabbare Lösung entwickelt und offensiv propagiert wird, wie sie unter Punkt 3 dargelegt und unter Punkt 4 politisch begründet wurde. Gelingt eine solche Offensive hingegen nicht, wird die logische Konsequenz sein, dass verstärkter Druck auf die Änderung der europäischen Naturschutzrichtlinien entsteht. Zu welchen befremdlichen Kooperationen einige anscheinend bereit sind, zeigt die Pressemitteilung einer Anwaltskanzlei, die in vielen Verfahren um den Ausbau der Windkraft involviert ist (https://www.maslaton.de/news/2021-3-maslaton--n802.pdf). Während Artenschützer, die gegen die Errichtung von Windparks klagen, in den Medien schon mal in z.T. subtiler Weise in die Nähe der AfD gerückt werden, spekuliert die Kanzlei ganz offen: „Die Änderung der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie ist nötig und im EU-Parlament auch möglich durch eine diabolische Allianz mit rechtsnationalen Kräften.“ Bramsche, den 13.03.3021